Der Bürgerverein
Wie alles begann
Schon als Kind lebte ich im Hagelkreuz. Die Zeit, als man dieses Viertel noch als „Marmeladensiedlung“ bezeichnete.
Es war eine schöne Kindheit, viele Kinder, viel Platz, viel Grün – viele Geheimverstecke und Platz für Abenteuer.
Als Erwachsene kehrte ich in dieses Wohnviertel zurück. Vor allem auch, weil ich immer noch der Meinung war, es
sei eine gute Gegend für Kinder. Und so war es auch. Auch meine Kinder hatten Raum und Freiheit. Kindergarten
und Schule waren in der Nähe. Den täglichen Bedarf konnte man durch die vorhandenen Geschäfte im Wohngebiet
decken.
Klar, der Ruf der damaligen „Neuen Stadt“ war nicht gut. „Ach, da wohnst Du, in der Hochhaussiedlung“ hörte man
doch schon mal. Es stimmt, auch wir waren nicht mit allem zufrieden. Nach dem Auszug der Belgier kamen deutsch-
russische Mitbürger, die einfach ein völlig anderes Leben gewohnt waren. Aus den Kindern von einst wurden
Jugendliche, die auch ihren Raum forderten. Da gab es die „Powerecke“, in der sie abends saßen. Viele fühlten sich
bedroht oder zumindest gestört. Die öffentlichen Spielplätze und Grünflächen wurden eher stiefmütterlich gepflegt.
Verwaltung und Politik hatten unser Viertel nicht im Blick. Wir in der Neuen Stadt waren irgendwie vergessen und
gehörten nicht so recht zu Kempen.
Dann kam die Idee mit der Gründung eines Bürgervereins. Das fand ich spannend. Schon beim ersten Treffen
fand sich der neue Vorstand, und ich schloss mich gerne an. Zunächst ging es um Ideenfindung. Wichtig war es uns,
Kontakt zur Stadtverwaltung, den Politikern und natürlich auch zur Presse herzustellen. Dabei war immer klar, der
Bürgerverein bleibt politisch unabhängig. Nur so war es möglich, die Interessen nach allen Seiten hin zu vertreten.
Wir sind dieser Linie stets treu geblieben, auch wenn es immer wieder Bestrebungen gab, uns in eine politische Ecke
zu schieben. Ziel war es, ein Wir-Gefühl im Hagelkreuz zu entwickeln und das Image zu verbessern. Ganz oben auf der
Liste stand auch eine neue Namensgebung für unser Viertel. Wir wollten nicht mehr Neue Stadt sondern Hagelkreuz
heißen. Hierzu gehörten dann im Laufe der Zeit auch ein eigenes Logo und ein Maskottchen für unser Wohngebiet. Das
wurde ganz bewusst bei einem Wettbewerb im Rahmen eines Bürgerfestes von Kindern gestaltet. Sie wollten wir damit
auch ein Stück Verantwortung und Heimatgefühl geben. Das war auch unser Gedanke bei der Gestaltung des Weih-
nachtsbaumes, den wir jedes Jahr aufstellen ließen. Der Baumschmuck wurde von den Schul- und Kindergartenkindern
gebastelt und aufgehängt. So konnten sie täglich ihr eigenes Werk betrachten.
Die Einbindung der Kinder und Jugendlichen gelang auch sehr gut auf den jährlichen Bürgerfesten. Sei es der
Auf-tritt der Kinder auf der Bühne mit eigenem Programm, Jugendliche, die Musik machen konnten, mal war es der
Boxclub der eine Vorführung gab, mal die Zirkusgruppe vom Thomaeum. Es war immer ein Anziehungspunkt für die
Familien und so waren die Feste stets gut besucht. Auch die Aktivitäten der Vereine, Polizei und Feuerwehr auf den
Festen lockten stets Be-sucher. Immer ging es darum, Menschen zusammen zu bringen, Kontakte zu fördern und vor
allem auch das Gefühl zu geben, wir im Hagelkreuz können etwas auf die Beine stellen. Anerkennung fanden diese
Aktivitäten stets. Der Bürgermeister eröffnete jedes Jahr das Fest und stets waren zahlreiche Vertreter aus
Stadtverwaltung und Politik anzutreffen.
Die Jugendlichen zu erreichen, war nicht so einfach. Wir suchten Kontakt zu der Jugendberatungsstelle auf
dem Concordienplatz. Auf Betreiben des Bürgervereins kam eine zusätzliche Mitarbeiterin in die Beratungsstelle,
und die Öffnungszeiten wurden dort von 2 auf 5 Tage in der Woche erweitert. Gemeinsam mit einer Jugendgruppe
starteten wir einen Videowettbewerb zum Thema Gewalt und Vandalismus. Preisgelder wurden ausgesetzt und der
beste Film lief über einen längeren Zeitraum als Vorfilm im Kempener Kino.
Wir boten Sportkurse wie Inline-Skating, Selbstverteidigung für Mädchen und Frauen, selbst Tanzkurse,
Pannenhelferkurse und Radtouren an, um die Menschen einzubinden und Nähe herzustellen. Ein Wochenmarkt wurde
ins Leben gerufen. Dazu kamen sporadische Veranstaltungen wie Fischmarkt, Trödelmarkt etc., Treffen zum Thema
Nach-barschaftshilfe, mit Immobilienmaklern zum Thema Wohnwert im Hagelkreuz und vor allem der regelmäßige
Austausch mit den Vertretern aus Politik und Verwaltung brachten Erfolg. Ein neuer Abenteuerspielplatz, bessere
Ausleuchtung der Wege, regelmäßige Pflege der Grünanlagen, Absenkung der Bürgersteige – viele Dinge, die den Wert
unseres Wohn-gebietes steigerten und den Menschen das Gefühl gaben, doch wichtig zu sein. Die Presse war uns stets
eine gute Unter-stützung. Für mich kann ich sagen, dass mir die Arbeit im Vorstand des Bürgervereins, zuletzt als
Vorsitzende, viel ge-bracht hat. Natürlich gab es auch Reibereien und stressige Zeiten. Es galt zu organisieren, zu
koordinieren, zu schlichten und zu motivieren. Es hat mir Freude gemacht, zu sehen, wie viele Menschen doch bereit
sind, sich ehrenamtlich für eine gute Sache – in diesem Fall für die eigene, nämlich das eigene Wohngebiet – zu
engagieren. Es waren stets die treuen „alten Recken“. Für einige waren gerade die Vor- und Nachbereitungen bei den
Bürgerfesten anstrengend und dennoch waren sie da, wenn sie gebraucht wurden. Ein besonderer Vorteil dieser
Vereinsarbeit war für mich auch die Möglichkeit, meine Diplomarbeit zum Thema Stadtteilmarketing am lebendigen
Beispiel schreiben zu können. Nach zehn Jahren aktiver Tätigkeit war es dann aber genug für mich. Aber es gibt ihn
immer noch, den nicht immer bequemen aber stets regen und aktiven Bürgerverein und das zeigt mir: Wir haben alles
richtig gemacht und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Ich wünsche dem Bürgerverein weiterhin viel Erfolg.
Christiane Czwikla
(Dieser Artikel wurde zuerst veröffentlicht im Stadtklatsch 1-2018)